1. Schultergelenk: Aufbau und Funktion
Das Schultergelenk ist ein klassisches Kugelgelenk und stellt das beweglichste Gelenk des menschlichen Körpers dar. Es besteht aus drei Hauptkomponenten: dem Oberarmkopf (Humeruskopf), der Schultergelenkpfanne (Glenoid) und der umgebenden Rotatorenmanschette. Die Gelenkflächen sind von Knorpel überzogen und werden von einer Kapsel umgeben, die mit Gelenkschmiere gefüllt ist, um reibungslose Bewegungen zu ermöglichen.
Die Rotatorenmanschette, bestehend aus Muskeln und Sehnen wie dem Obergrätenmuskel (M. supraspinatus), Untergrätenmuskel (M. infraspinatus), kleinen Rundmuskel (M. teres minor) und dem Unterschulterblattmuskel (M. subscapularis), spielt eine entscheidende Rolle bei der Stabilisierung und Bewegung des Schultergelenks. Die Rotatorenmanschette zieht den Oberarmkopf in die Gelenkpfanne und sorgt für eine optimale Positionierung bei allen Bewegungen.
2. Bewegungsmöglichkeiten und Stabilität
Das Schultergelenk ermöglicht eine große Bewegungsfreiheit, einschließlich Abduktion, Adduktion, Flexion, Extension, Innen- und Außenrotation. Diese Beweglichkeit wird durch die gleichzeitige Bewegung des Schulterblatts (Scapula) auf dem Brustkorb noch erweitert. Die Bewegungen des Schultergelenks sind jedoch nicht nur von den Muskeln und Sehnen der Rotatorenmanschette abhängig, sondern auch von der intakten Funktion der umgebenden Bänder und Gelenkkapseln.
3. Diagnostik von Schultererkrankungen
Die Diagnostik von Schultererkrankungen beginnt mit einer ausführlichen Anamnese und klinischen Untersuchung. Häufig eingesetzte bildgebende Verfahren umfassen Röntgen, Ultraschall (Sonografie) und Magnetresonanztomografie (MRT). Diese Techniken ermöglichen eine detaillierte Darstellung der Knochen, Knorpel, Bänder und Weichteile des Schultergelenks und helfen, die genaue Ursache der Beschwerden zu identifizieren. Bei Bedarf können auch Gelenkpunktionen und Labortests durchgeführt werden, um entzündliche oder infektiöse Ursachen auszuschließen.
4. Typische Symptome
Die häufigsten Symptome bei Schultererkrankungen sind Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. Entzündliche Prozesse, wie eine Schleimbeutelentzündung (Bursitis) oder ein Impingement-Syndrom, verursachen oft Schmerzen bei bestimmten Bewegungen, insbesondere bei Überkopfaktivitäten. Nachtschmerzen und eine deutliche Kraftminderung bei isometrischen Anspannungstests sind ebenfalls typisch und weisen auf eine mögliche Schädigung der Rotatorenmanschette hin.
5. Diagnoseverfahren bei Schultererkrankungen
Klinische Untersuchung
Die klinische Untersuchung bildet die Grundlage der Diagnostik bei Schultererkrankungen. Sie umfasst verschiedene Tests und Untersuchungen, die der Arzt durchführt, um die genaue Ursache der Beschwerden zu ermitteln. Hierbei wird die Beweglichkeit des Schultergelenks überprüft, und es werden Krafttests durchgeführt, um mögliche Schwächen oder Schmerzen zu lokalisieren. Typische Tests umfassen die Überprüfung der Rotatorenmanschette und die Abgrenzung von Beschwerden, die von der Halswirbelsäule oder anderen Bereichen des Körpers ausgehen können.
Bildgebende Verfahren
Röntgen
Das Röntgenbild ist eine der ersten bildgebenden Untersuchungen, die bei Schulterschmerzen durchgeführt wird. Es hilft, knöcherne Strukturen wie den Oberarmkopf und die Gelenkpfanne darzustellen und mögliche Frakturen, Luxationen oder arthritische Veränderungen zu erkennen.
Ultraschall (Sonografie)
Die Sonografie ist eine nicht-invasive und kostengünstige Methode, um Weichteilstrukturen der Schulter zu untersuchen. Sie eignet sich hervorragend zur Diagnose von Schäden an der Rotatorenmanschette, Schleimbeuteln und Bizepssehnen. Der Ultraschall kann schnell und ohne Strahlenbelastung durchgeführt werden und bietet eine hohe Genauigkeit bei der Erkennung von Weichteilschäden.
Magnetresonanztomografie (MRT)
Die Kernspintomografie (MRT) ist ein weiteres wichtiges bildgebendes Verfahren, das detaillierte Bilder der Schulterstrukturen liefert. Sie ist besonders nützlich zur Beurteilung von Weichteilen wie Sehnen, Bändern, Knorpel und der Rotatorenmanschette. Die MRT kommt häufig zum Einsatz, wenn der Verdacht auf komplexe Verletzungen oder tiefer liegende Schäden besteht, die mit Röntgen oder Ultraschall nicht ausreichend dargestellt werden können.
Arthroskopie
Die Arthroskopie ist ein minimalinvasives Verfahren, das sowohl zur Diagnose als auch zur Behandlung von Schultererkrankungen eingesetzt wird. Dabei wird eine kleine Kamera in das Schultergelenk eingeführt, um die Strukturen direkt zu betrachten und gegebenenfalls sofortige therapeutische Maßnahmen durchzuführen. Zu den häufigsten arthroskopischen Eingriffen gehören die Entfernung von entzündetem Gewebe, die Behandlung von Rotatorenmanschettenrissen und die Beseitigung von Engpasssyndromen. Die Arthroskopie bietet den Vorteil, dass sie mit minimalem Gewebetrauma verbunden ist und eine schnelle postoperative Erholung ermöglicht.
6. Häufige Schultererkrankungen und -verletzungen
Kalkschulter
Die Kalkschulter (Tendinosis calcarea) ist durch Kalkablagerungen in den Sehnen der Rotatorenmanschette gekennzeichnet. Diese Ablagerungen können zu starken Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führen. Die genaue Ursache ist nicht bekannt, jedoch wird vermutet, dass Durchblutungsstörungen und Überlastungen eine Rolle spielen. Die Behandlung reicht von konservativen Maßnahmen wie Physiotherapie und Injektionsbehandlungen bis hin zu minimalinvasiven operativen Eingriffen zur Entfernung der Kalkablagerungen.
Schulterluxation (Verrenkung)
Die Schulterluxation tritt auf, wenn der Oberarmkopf aus der Schulterpfanne rutscht. Dies geschieht meist durch ein Trauma, wie einen Sturz auf den ausgestreckten Arm. Die betroffene Person verspürt sofort starke Schmerzen und eine sichtbare Deformierung der Schulter. Die Reposition (Einrenkung) sollte schnellstmöglich erfolgen, um Schäden an Nerven und Blutgefäßen zu vermeiden. Wiederholte Luxationen können zu chronischer Instabilität führen und eine stabilisierende Operation erforderlich machen.
Rotatorenmanschettenriss
Ein Rotatorenmanschettenriss betrifft die Sehnen der Muskeln, die das Schultergelenk stabilisieren. Solche Risse entstehen oft durch Verschleiß oder akute Verletzungen. Symptome sind Schmerzen, vor allem bei Überkopfarbeiten, und eine eingeschränkte Beweglichkeit. Die Behandlung hängt vom Ausmaß des Risses und den Beschwerden ab und reicht von Physiotherapie bis hin zur operativen Rekonstruktion der Sehnen. Bei älteren Patienten ist oft eine konservative Therapie ausreichend, während jüngere Patienten häufiger operiert werden. Mündet allerdings der Schaden an der Muskel-Sehnenplatte (Rotatorenmanschette) in einen generellen Gelenkverschleiß (Defektarthropathie), ist zum Erhalt der Funktion des Armes oft die Implantation eines Kunstgelenkes erforderlich.
Impingement-Syndrom
Das Impingement-Syndrom entsteht durch eine Einengung des Raums zwischen Schulterdach und Oberarmkopf, wodurch die Sehnen der Rotatorenmanschette eingeklemmt werden. Dies führt zu Schmerzen, besonders bei Überkopfarbeiten, und kann langfristig zu Sehnenschäden führen. Die Behandlung umfasst Physiotherapie zur Kräftigung der Muskulatur, entzündungshemmende Medikamente und in schweren Fällen operative Verfahren zur Erweiterung des Raums.
Schultereckgelenkarthrose
Die Schultereckgelenkarthrose betrifft das kleine Gelenk zwischen Schlüsselbein und Schulterdach. Sie entsteht durch Verschleiß und Überlastung, oft in Berufen oder Sportarten mit hoher Belastung des Schultergelenks. Symptome sind Schmerzen und Bewegungseinschränkungen, insbesondere beim Heben des Arms über die Horizontale. Die Therapie reicht von konservativen Maßnahmen wie Physiotherapie und Schmerzmedikation bis zu operativen Eingriffen, bei denen das Gelenk teilweise entfernt und stabilisiert wird.
Oberarmkopfbruch
Ein Oberarmkopfbruch tritt häufig bei Stürzen auf den ausgestreckten Arm auf und betrifft vor allem ältere Menschen mit Osteoporose. Die Bruchbehandlung hängt von der Art des Bruchs ab: Nicht verschobene Brüche können konservativ behandelt werden, während verschobene Brüche meist operativ mit Platten oder Nägeln stabilisiert werden müssen. Nach der Operation ist eine intensive Physiotherapie notwendig, um die Beweglichkeit und Funktion der Schulter wiederherzustellen.
Schulterhauptgelenksarthrose (Omarthrose)
Die Schulterhauptgelenksarthrose ist eine degenerative Erkrankung, bei der der Knorpel im Schultergelenk verschleißt. Dieser Verschleiß führt zu Schmerzen, eingeschränkter Beweglichkeit und Entzündungen im Gelenk. Zu den typischen Symptomen zählen Schmerzen bei Belastung oder in Ruhe sowie eine fortschreitende Versteifung der Schulter. In schweren Fällen kommt es zu einem vollständigen Abbau des Knorpelgewebes, was unbehandelt erhebliche Einschränkungen der Lebensqualität zur Folge haben kann.
7. Behandlung und Therapie
Konservative Therapiemöglichkeiten
Physiotherapie und Orthesen
Physiotherapie spielt eine zentrale Rolle bei der Behandlung von Schultererkrankungen. Übungen zur Stärkung der Muskulatur und zur Verbesserung der Beweglichkeit des Schultergelenks sind entscheidend. Methoden der manuellen Therapie und Osteopathie können ergänzend eingesetzt werden. Orthesen und Bandagen unterstützen das Gelenk und entlasten die betroffenen Strukturen, was besonders bei Verletzungen der Rotatorenmanschette oder nach einer Schulterluxation hilfreich ist.
Physikalische Therapie und Akupunktur
Physikalische Therapien wie Kälte- und Wärmeanwendungen sowie Elektrotherapie können Schmerzen lindern und Entzündungen reduzieren. Akupunktur ist ebenfalls eine anerkannte Methode zur Behandlung von Schulterarthrose und wird zunehmend von gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Medikamentöse Therapie
Parallel zur konservativen Therapie werden häufig schmerzlindernde und entzündungshemmende Medikamente eingesetzt. Diese ermöglichen eine schmerzfreie Durchführung der physiotherapeutischen Übungen und verbessern die Lebensqualität der Patienten.
Operative Therapiemöglichkeiten
Arthroskopie
Die Arthroskopie ist ein minimalinvasives Verfahren zur Diagnose und Behandlung von Schultererkrankungen. Dabei werden kleine Schnitte gesetzt und eine Kamera ins Gelenk eingeführt, um Schäden zu begutachten und zu behandeln. Diese Methode eignet sich besonders für die Reparatur von Rotatorenmanschettenrissen, die Entfernung von freien Gelenkkörpern oder die Behandlung einer Schleimbeutelentzündung.
Endoprothetik
Bei fortgeschrittener Arthrose des Schultergelenks kann die Implantation einer Schulterprothese notwendig werden. Moderne Prothesen bieten eine hohe Beweglichkeit und Langlebigkeit. Die Auswahl der geeigneten Prothese erfolgt individuell anhand der klinischen und bildgebenden Befunde.
Rotatorenmanschettenriss
Ein Riss der Rotatorenmanschette erfordert oft eine operative Behandlung, insbesondere wenn konservative Maßnahmen nicht ausreichend sind. Die operative Reparatur der Sehnen kann minimalinvasiv durchgeführt werden, um die Heilungszeit zu verkürzen und die Funktionalität der Schulter wiederherzustellen.
Schulterarthrose
In fortgeschrittenen Stadien der Schulterarthrose, wenn konservative Behandlungsmaßnahmen wie Physiotherapie oder Injektionen nicht mehr ausreichen, kann ein chirurgischer Eingriff notwendig werden. Eine bewährte Option ist der Einsatz einer Schulterprothese. Dabei wird das beschädigte Gelenk teilweise oder vollständig durch eine künstliche Gelenkkomponente ersetzt. Diese Prothese übernimmt die Funktion des verschlissenen Knorpels und ermöglicht eine deutliche Reduzierung der Schmerzen sowie eine Verbesserung der Beweglichkeit.
8. Nachbehandlung und Rehabilitation
Schmerzmanagement
Ein effektives Schmerzmanagement nach einer Schulteroperation ist entscheidend für die Erholung. Dies umfasst die Verwendung von Schmerzmitteln, physikalische Therapien und alternative Methoden wie Akupunktur. Eine gute Schmerzkontrolle fördert die Mobilität und erleichtert die Teilnahme an physiotherapeutischen Übungen.
Physiotherapie
Physiotherapie ist ein zentraler Bestandteil der Rehabilitation nach einer Schulteroperation. Übungen zur Verbesserung der Beweglichkeit, Stärkung der Muskulatur und Verbesserung der Koordination sind entscheidend für eine erfolgreiche Genesung. Ein individuelles Therapieprogramm, das auf die spezifischen Bedürfnisse des Patienten abgestimmt ist, beschleunigt die Rehabilitation und optimiert die Ergebnisse.